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Das Europäische Mahnverfahren ab dem 12. September 2008
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Peter Pietsch, Mering
1.
Schon im Amsterdamer Vertrag[1] ist im Art. 29[2] vorgesehen, dass in der EU ein "Raum der Freiheit und der Sicherheit und des Rechts" geschaffen werden soll. So hat der Europäische Rat in seiner Sitzung in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999 gemeinsame Verfahrensregeln für eine vereinfachte und beschleunigte Beilegung von grenzüberschreitenden Streitfällen gefordert, sowie die Abschaffung von Zwischenmaßnahmen, die bisher noch für die Anerkennung und Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsstaat ergangenen Entscheidungen erforderlich sind.
In dem am 30. November 2000 verabschiedeten Maßnahmenprogramm wurde die Abschaffung des Exequaturverfahrens gefordert. Es wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass auf europäischer Ebene Verfahrensvorschriften festzulegen seien, die auf eine gewisse Harmonisierung des Verfahrens ausgerichtet sind. In der Tagung des Europäischen Rates vom November 2004 wurde schließlich festgelegt, dass das vorgesehene Maßnahmenprogramm für die gegenseitige Anerkennung bis zum Jahr 2011 abgeschlossen sein soll. Deshalb haben der Rat und die Kommission auch am 2. und 3. Juni 2005 ein gemeinsames Aktionsprogramm aufgelegt, um diese konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Als ein Ergebnis ist am 12. Dezember 2006 die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens in Kraft getreten.[3]
Nach Art. 33 der Verordnung ist sie ab dem 12. Dezember 2008 anzuwenden und gilt in allen Mitgliedsstaaten der EU unmittelbar.[4]
Mit der Verordnung wird der erste "echte" Europäische Vollstreckungstitel eingeführt.[5]
2.
Mit dieser neuen Verordnung und der schon bestehenden Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel (EuVTVO)[6] wurde ein neues Zeitalter eingeläutet. Es wird in Zukunft nur mehr europäische Verordnungen geben, nach denen für eine Vollstreckung eines Titels aus einem anderen EU-Staat keine Zwischenmaßnahmen mehr erforderlich sind. Die Notwendigkeit eines Exequaturverfahrens zur Anerkennung und Vollstreckung[7] wird es damit für zukünftige Titel nicht mehr geben.
3. Das Europäische Mahnverfahren im Einzelnen
a) Anwendungsbereich
Nach ihrem Art. 2 ist die Verordnung in allen grenzüberschreitenden Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen anwendbar. Auf die Art der Gerichtsbarkeit kommt es nicht an.
Nicht anwendbar ist sie jedoch auf Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie Staatshaftungsrecht für Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte. Sie ist weiter nicht anwendbar für eheliche Güterstände, Erbrecht, einschließlich Testamentsrecht, sowie nicht auf Konkurse und Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung zahlungsunfähiger Unternehmen, nicht auf Angelegenheiten der sozialen Sicherheit, sowie nicht auf außervertragliche Schuldverhältnisse, soweit diese nicht Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines Schuldanerkenntnisses sind oder soweit sich diese nicht auf bezifferte Schuldbeträge beziehen, die sich aus gemeinsamem Eigentum an unbeweglichen Sachen ergeben (Art. 2 Abs. 2).
Die Verordnung betrifft allerdings nur grenzüberschreitende Rechtssachen. Das ist nach Art. 3 dann der Fall, wenn mindestens eine der Parteien den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Sitz des befassten Gerichts hat (Art. 3 Abs. 1). Die Staatsangehörigkeit der Parteien ist irrelevant.
Nationalrechtliche Regelungen bleiben nach Art. 1 Abs. 2 ausdrücklich unberührt. Es wird also weiterhin möglich sein, dass ein deutscher Mahnbescheid im Ausland zugestellt wird, und es wird weiter möglich sein, dass ein Antragssteller, der keinen Wohnsitz in Deutschland hat, sich an das Amtsgericht Schöneberg wendet, um einen deutschen Mahnbescheid zu beantragen.
Unter den sachlichen Anwendungsbereich fallen nach Art. 4 alle für die Beitreibung bezifferter Geldforderungen, die im Zeitpunkt der Einreichung des Antrags fällig sind. Eine Wertobergrenze (wie etwa in Österreich für die sog. Mahnklage) ist nicht vorgesehen. Das europäische Mahnverfahren ist also für Geldforderungen in jeder beliebiger Höhe statthaft.
b) Zuständigkeit des Gerichts
Die richtige Zuständigkeit für den Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls bestimmt sich grundsätzlich nach den Vorschriften der EuGVO.[8] Damit sind im Regelfall Gerichte am Wohnsitz des Antragsgegners international zuständig, wobei die Zuständigkeit für das Europäische Mahnverfahren ausschließlich ist, sofern ein Verbraucher Antragsgegner ist (Art. 6 Abs. 2).
c) Einreichung des Antrags
Besteht die Zuständigkeit des Gerichts in einem EU-Staat nach Art. 2 ff EuGVO, so ist beim dafür sachlich zuständigen Gericht der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls einzureichen. Dabei werden wir es mit neuen Formblättern zu tun haben, die gem. Art. 7 in Form des Formblattes A gem. Anhang der Verordnung zwingend zu verwenden sind. Neben den Angaben zu den Parteien, der Höhe der Forderung nebst Zinsen und der Beschreibung des Streitgegenstandes sind auch Angaben erforderlich über die Zuständigkeit des Antragsgerichts und die Tatsache, dass die Rechtssache einen grenzüberschreitenden Charakter im Sinne von Art. 3 hat. Beweismittel sind dabei gem. Art. 7 Abs. 2 lit. e zwar zu bezeichnen, Urkunden oder Beweismittel sind aber dem Antrag nicht beizufügen.
Allerdings muss der Antragssteller erklären, dass er sämtliche Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat und zur Kenntnis genommen hat, dass Falschangaben angemessene Sanktionen nach mitgliedsstaatlichem Recht nach sich ziehen können (Art. 7 Abs. 3).
Einzureichen ist der Antrag entweder in Papierform oder auch durch elektronische Kommunikationsmittel, sofern diese im Ursprungsmitgliedstaat zulässig sind und dort auch zur Verfügung stehen.
Ein Anwaltszwang besteht für das gesamte Europäischen Mahnverfahren gem. Art. 24 nicht.
d) Prüfung durch das Gericht
Die gerichtliche Prüfung des Antrages beschränkt sich auf die Anwendbarkeit des Verfahrens, das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Rechtssache, das Vorliegen einer bezifferten fälligen Geldforderung, die gerichtliche Zuständigkeit sowie der formalen Ordnungsmäßigkeit des Antrages.
Ausdrücklich ist in Art. 8 vorgesehen, dass dies im Rahmen des automatisierten Verfahrens erfolgen kann (Art. 8 Satz 2).
Wird der Antrag durch das Gericht zurückgewiesen, so wird der Antragsteller davon in Kenntnis gesetzt. Ein Rechtsmittel gegen die Zurückweisung gibt es nach Art. 11 Abs. 2 nicht. Allerdings ist der Antragssteller nicht gehindert, nach Art. 11 Abs. 3 einen neuen Antrag zu stellen oder ein anderes Verfahren nach dem Recht des Mitgliedstaates geltend zu machen.
e) Verfahrensgang
Liegen die Voraussetzungen für den Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls vor, so erlässt das Gericht nach Art. 12 den Zahlungsbefehl unter Verwendung des Formblatts E gem. Anhang V der Verordnung. Der Zahlungsbefehl wird zusammen mit einer Kopie des Antragsformulars, versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, dem Antragsgegner zugestellt. Die Einzelheiten regeln Art. 13 - 15.
Innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab Zustellung des Zahlungsbefehls kann der Antragsgegner unter Verwendung des Formblatts F des Anhangs VI (das dem Antragsgegner mit zugestellt wird) Einspruch einlegen. Auch diese Einspruchseinlegung nach Art. 16 Abs. 4 erfolgt entweder in Papierform oder durch andere Kommunikationsmittel, soweit sie im Ursprungsmitgliedstaat zulässig sind und im Ursprungsstaat auch zur Verfügung stehen. Eine Begründung für den Einspruch ist nicht erforderlich.
Der fristgerechte Einspruch hat zur Folge, dass das Verfahren vor den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats als ordentliches Verfahren nach der dortigen Zivilprozessordnung weitergeführt wird, es sei denn, der Antragssteller hat ausdrücklich beantragt, das Verfahren in einem solchen Fall zu beenden (Art. 17 Abs. 1).
Legt der Antragsgegner seinen Einspruch nicht oder verspätet ein, so erklärt das Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl nach Überprüfung des Zustelldatums mittels eines Formulars nach Art. 18 für vollstreckbar. Diese Vollstreckbarerklärung gilt für alle Mitgliedsstaaten, ein Exequaturverfahren ist nach Art. 19 ausdrücklich abgeschafft.
Die Zwangsvollstreckung erfolgt unbeschadet der Bestimmungen der Verordnung stets nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedsstaates. Dazu muss der Gläubiger dem zuständigen Vollstreckungsorgan lediglich eine Ausfertigung des vollstreckbaren Zahlungsbefehls und ggf. eine beglaubigte Übersetzung in einer im Vollstreckungsstaat zugelassenen Amtssprache vorlegen (Art. 21 Abs. 2).
Eine Überprüfung des rechtskräftigen Zahlungsbefehls erfolgt im Ursprungsmitgliedstaat nur in Ausnahmefällen nach Maßgabe des Art. 20. Im Vollstreckungsstaat kann eine Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung nur nach Art. 22 oder 23 der Verordnung erfolgen. Einer Überprüfung der Sache nach ist im Vollstreckungsstaat ausgeschlossen (Art. 22 Abs. 3).
f) Kosten
Die Kosten des Europäischen Mahnverfahrens und des sich daran evtl. anschließenden ordentlichen Zivilverfahrens richten sich gem. Art. 25 und 26 nach dem nationalen Recht des Ursprungsmitgliedsstaats.
4.
Da die Verordnung bereits in Kraft ist, sie allerdings erst ab dem 12.12.2008 anwendbar sein wird, sind vom deutschen Gesetzgeber noch entsprechende Rechtsvorschriften zu schaffen. Bis zum 12.06.2008 muss die Bundesregierung der Kommission mitteilen, welche Gerichte zum Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls zuständig sind.[9] Dazu ist aber erst ein Konsens mit den Bundesländern herbeizuführen. Bis zum heutigen Tage ist noch nicht klar, ob es ein bundesdeutsches zentrales Europäisches Mahngericht geben wird (das würde wahrscheinlich das AG Berlin-Schöneberg werden) oder ob in den jeweiligen Bundesländern die zentralen Mahngerichte auch für das Europäische Mahnverfahren zuständig sein sollen.[10]
1 Vom 02.10.1997, BGBl. 1998 II S. 387 (454), in Kraft getreten am 01. Mai 1999 gem. Bek. v. 06.04.1999 (BGBl. 1999 II S. 296).
2 Ex-Art. K 1.
3 ABl. L. 399 vom 30.12.2006, S. 1-32.
4 Nicht aber in Dänemark, das sich gem. Art. 1 u. 2 des Protokolls zum Vertrag über die Europäöische Union und dem Vertrag zur Gründung zur Europäischen Gemeinschaft nicht beteiligt.
5 Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21.04.2004 (ABl. EG 2004,l Nr. L. 143, S. 15) schafft keinen europäischer Titel, sondern einen nationalen Titel mit Formblatt über eine Vollstreckungsklausel, aus der in anderen EU-Staaten vollstreckt werden kann.
6 vgl. vorige Fußnote.
7 Dazu vor allem anwendbar die EuGVO, vergl. Fn. 8.
8 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO oder EuGVVO) vom 22.12.2000 (ABl. EG 2001 Nr. L. 12, S. 1).
9 Art. 29 Abs. 1.
10 Gem. tel. Auskunft des Bundesministeriums der Justiz vom 16.4.07.
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